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Die Wunde des Verlassenwerdens – und was zur Heilung gehört

Die Wunde des Verlassenwerdens beginnt nicht erst dann, wenn du dich selbst verlässt.

Sie beginnt in der Kindheit, wenn dich diejenigen verlassen, die dich hätten schützen und halten sollen. Ein Kind kann sich nicht selbst versorgen, deshalb entsteht die erste Wunde von außen.


Später im Leben vertieft sich diese Wunde, wenn wir das Muster in uns selbst wiederholen: jedes Schweigen, jedes Ausweichen, jedes Abwenden von der eigenen Wahrheit. Doch dieses innere Verlassen ist nicht die Ursache – es ist das Echo.


Die Angst, verlassen zu werden, ist sowohl die Erinnerung an die ursprüngliche Abwesenheit als auch die Trauer über das Sich-selbst-Abwenden. Zur Heilung reicht bloße Präsenz nicht. Bei dem Schmerz zu bleiben ist notwendig, aber es löst nicht automatisch die alten Glaubenssätze auf.


Heilung braucht Schritte.


Eine kleine Praxis für Momente, in denen wir getriggert sind kann dabei helfen, in Kontakt mit dir zu kommen – besonders dann, wenn etwas passiert, das dich triggert: eine Absage, eine Nachricht, ein Blick oder eine Geste, die dich plötzlich zurückwirft.


  1. Innehalten und in den Körper spüren.

    Halte kurz inne und spüre, was dein Körper gerade wahrnimmt. Wo zeigt sich etwas – als Druck, Enge, Kälte, Ziehen, Leere?


  2. Das Gefühl benennen.

    Frag dich: „Was ist das für ein Gefühl?“ und erkenne es an.


    • So fühlt sich Trauer an.

    • So fühlt sich Einsamkeit an.

    • So fühlt sich Verlassenwerden an.

    • So fühlt sich Sehnsucht an.

    • So fühlt sich Angst an.


  3. Den Glaubenssatz aufdecken.

    Schau, was du in dieser Situation über dich selbst denkst (oder was du glaubst, was andere gerade über dich denken).


    • Ich bin nicht gut genug.

    • Ich bin nicht liebenswert.

    • Ich bin zu viel.

    • Ich bin schuld.

    • Etwas stimmt nicht mit mir.


  4. Zurück zum Körper.

    Kehre bewusst zum Körpergefühl zurück. Erlaube ihm für 30 Sekunden da zu sein – ohne es zu verändern, ohne die Geschichte drumherum.


  5. Sicherheit herstellen.

    Danke dem Gefühl, dass es da war – und komme bewusst wieder in etwas zurück, das dir Halt gibt. Das kann zum Beispiel sein:


    • deine Füße fest in den Boden drücken

    • eine Hand auf den Brustkorb legen

    • tief und hörbar ausatmen

    • etwas Warmes trinken oder kaltes Wasser über die Hände laufen lassen

    • drei Dinge im Raum wahrnehmen und benennen

    • frische Luft einatmen, indem du kurz das Fenster öffnest


Diese kleine Schleife trennt das Fühlen vom Glaubenssatz. Das Gefühl darf Raum haben, ohne dass die Geschichte es überlagert. Und der Körper erfährt, dass er es halten kann – und gleichzeitig wieder in Sicherheit zurückkehren darf.


Von Abwesenheit zu Selbstwert

Integration bedeutet nicht, sicherzustellen, dass die anderen bleiben.

Es bedeutet, aufzuhören, dich selbst zu verlassen – und dir nicht länger anzutun, was dir damals angetan wurde.


Es ist der Weg zurück – Schritt für Schritt – von Abwesenheit in Präsenz, von Überleben in Lebendigkeit.


Selbstwert entsteht, wenn das Nervensystem Sicherheit darin findet, Gefühle zulassen zu können, ohne sich abzuwerten, zu beschämen oder in alte Glaubenssätze und Geschichten zu fallen. Wenn dein Sein nicht mehr am Kommen und Gehen anderer gemessen wird.

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