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Wenn das innere Kind liebt. Warum Beziehungstipps oft scheitern – und was wirklich hilft

Wir wissen längst, dass in jeder Beziehung zwei Teile von uns am Werk sind. Der Erwachsenen-Teil, der die Oberfläche anschaut und Entscheidungen trifft, die logisch erscheinen. Und der kindliche Teil, der den Partner nicht aus logischen Gründen wählt, sondern aus emotionalen und aus verletzten Gründen, weil er versucht, etwas in uns zu lösen.


Und dieser kindliche Teil lenkt emotional meistens das Steuer – auch wenn der Kopf längst weiß, dass er gehen müsste. Darum kannst du sehr wohl wissen, dass dein Partner egoistisch oder unzuverlässig ist – und dich trotzdem komplett gebunden fühlen. Das Kind flüstert: „Ich kann nicht. Ich brauche sie. / Ich liebe ihn. Er gehört doch zu mir.“


Warum Ratschläge oft wenig helfen

Warum die meisten Beziehungstipps nicht nur ins Leere gehen, sondern auch beschämen können? Sie sprechen den Erwachsenen-Teil an: „Warum bist du mit jemandem wie dem zusammen?“ Und können gleichzeitig dem hilflosen Kind keinen Weg zeigen.


Deswegen befreit es auch nicht, jemanden einfach als Narzissten oder als abweisend vermeidenden Partner zu identifizieren. Weil wir damit unsere eigenen Muster ignorieren.

Es ist egal, wie klug oder selbstbewusst du bist. Das Kind in dir wählt immer noch. Es klammert oder kämpft immer noch für etwas, das viel tiefer ist als Logik.


Die richtigen Fragen stellen

Was machen wir also damit? Wir hören auf, anderen Ratschläge auf der logischen Ebene zu geben. Wir hören auf, uns selbst zu beschämen für das, wohin wir uns hingezogen fühlen. Wir hören auf, so zu tun, als ginge es nur um Anziehung oder Kompatibilität.


Und wir stellen die richtigen Fragen:

  • Welcher Teil von mir wird durch diese Beziehung gespiegelt?


  • Welche Wunde berührt dieser Partner, die ich noch nicht geheilt habe?


    • Die Wunde des Verlassens: wenn er sich zurückzieht oder den Kontakt abbricht, berührt das die tiefe Angst, allein gelassen zu werden, gerade in dem Moment, in dem du Nähe und Sicherheit am meisten brauchst. Hier geht es um sichere Bindung.

    • Die Wunde der Abwertung: wenn er dich klein macht, beschämt oder verspottet, spiegelt das das Gefühl, nicht „richtig“ oder nicht „genug“ zu sein. Hier geht es um Selbstwert und Wertschätzung.

    • Die Wunde der Unsicherheit: das unvorhersehbare Wechseln zwischen Nähe, Rückzug, Ausbruch oder Kränkung triggert die Angst, in Beziehungen nie wirklich sicher sein zu dürfen. Hier geht es um grundlegende Sicherheit.

    • Die Wunde der Bedürftigkeit: dein kindlicher Teil hat ihn gebraucht – so sehr, dass du trotz Schmerz geblieben bist. Das zeigt, wie tief in dir das Bedürfnis nach Halt, Gesehen werden und „nicht allein sein“ sitzt. Hier geht es um Halt.


  • Welche Emotionen lebt mein Partner aus, die ich unterdrückt habe?

  • Was versucht mein kindliches Selbst durch diese Verbindung zu verarbeiten?

  • Und die größte Frage: Kann ich verletzlich genug sein – mir selbst und auch anderen gegenüber – das auszusprechen, was für mich wirklich wahr ist? Statt mich hinter Ratschlägen, Schuldzuweisungen, Kritik oder Schweigen zu verstecken.


Der Spiegel der Beziehung

Unser Partner zeigt uns oft genau das, was wir insgeheim über uns selbst glauben oder uns selbst nicht erlauben: Wenn du dich abgewertet fühlst, hast du vielleicht nie gelernt, deine eigene Stimme zu ehren. Wenn du dich verlassen fühlst, vielleicht nie gelernt, bei dir selbst zu bleiben. Wenn du dich klein fühlst, vielleicht nie erlaubt, deine eigene Größe leuchten zu lassen.

Es ist nicht deine Schuld, wenn dein Partner dich verletzt. Aber jede Beziehung ist ein Spiegel. Und wenn du gegen den Spiegel kämpfst, wirst du nie das Spiegelbild verändern. Heilung kommt nicht davon, deinen Partner zu definieren oder rote Flaggen auswendig zu lernen. Heilung kommt davon, langsamer zu werden, das Kind zu spüren – und die Sprache der Verletzlichkeit zu erlernen.


Wo wir oft stecken bleiben

Und hier bleiben wir meistens stecken. Statt in Verletzlichkeit fallen wir in Kritik und Abwehr. Oder wir geben Ratschläge, weil wir unsere eigene Verletzlichkeit nicht ertragen können. Und so geht der Kreislauf immer weiter, weil wir nicht wissen, wie wir mit diesem kindlichen Teil in uns umgehen und ihn beruhigen können – der verängstigt, bedürftig und nach Sicherheit verlangend ist.

Die Beziehungen, die überleben, sind die, in denen wir erkennen, dass unser inneres Kind nach Liebe ruft. In denen wir lernen, mit Sanftheit zu reagieren statt mit Angriff. In denen wir lernen, Verbindung zu schaffen statt Ratschläge zu geben. In denen jemand verletzlich sein darf, ohne verurteilt zu werden.


Liebe lebt nicht in der Logik

Das nächste Mal, wenn du einem Freund Beziehungstipps geben willst, halte inne, bevor du einfache Sätze lieferst wie: „Verlass ihn.“ oder „Sie ist toxisch.“ Das spricht nur den Erwachsenen-Teil an – und der weiß das längst.


Versuche stattdessen, den kindlichen Teil zu erreichen – den Teil, der Angst hat, verlassen zu werden, und den Teil, der sich geliebt fühlt, auch wenn es weh tut. Denn genau dort geschieht die eigentliche Arbeit: Dort zählt Mitgefühl, und nur dort ist Heilung möglich.


Beziehungstipps, die nur zur Logik sprechen, berühren nie den Ort, an dem Liebe gebraucht wird. Liebe lebt nicht in Logik, Liebe lebt im Herzen. Und das Herz ist ein Kind.

Was der andere braucht, ist nicht ein Ratschlag, sondern das Gefühl, nicht allein zu sein.



ree

 
 
 

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